Die Geschichte vom Einrad, Einradhockey und RADLOS



-Erste Wettkämpfe auf einem Rad


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Das Fahrrad und die Eisenbahn


Ein eigenes Kapitel

Die Entwicklung und Verbreitung von Fahrrädern war maßgeblich vom Fortschritt der Eisenbahn abhängig. Mit der Eisenbahn können mehr Rohstoffe weiter und in kürzerer Zeit günstiger transportiert werden. Von nun an können Schmiede, Wagner und sonstige Handwerker und Bastler mit mehr und verschiedensten Materialien experimentieren. Ebenso können fertige Fahrräder weiter und günstiger an Händler und Endkunden verschickt werden.
Bis dahin haben Fahrradfabrikanten ein Fahrrad (auf Maß) erst produziert, nachdem es bestellt wurde. Nun können Händler mehrere Modelle zur Auswahl anbieten. Kunden haben ihr Fahrrad schneller.
Fahrradfahrer gibt es meist nur in den Städten, in denen es auch einen Fahrradhersteller gibt. Bzw. es wird dort produziert, wo die Nachfrage an Fahrrädern besteht, meist in Messe- und Handelsstädten, wie Stuttgart, Frankfurt, Dresden, Hannover, Braunschweig, Berlin und Leipzig.
Erst mit der Bahn und dem aufkommenden Versand können Bürger mit den eigenen Augen sehen, dass es Fahrräder überhaupt gibt. So sind Radfahrer in z.B. Hamburg, Berlin oder Frankfurt schnell kein seltenes Bild mehr, wogegen es in z.B. Hannover lange Zeit deutlich weniger Radfahrer gibt, einfach weil es im Ort keinen Hersteller gibt.
Aber nicht nur der Fahrradkunde profitiert von der Bahn, weil Fahrräder in größerer Auswahl und günstiger zu bekommen sind, auch umgekehrt, die Bahn gewinnt den Radfahrer als Fahrgast. Nach dem Motto: Mit dem Fahrrad zum Bahnhof und mit dem Zug dann weiter reisen. Sehr schnell muß die Bahn erkennen, das Radfahrer auch am Zielbahnhof noch weiter fahren möchten. Sie nehmen also ihr Fahrrad mit in die Bahn. Es kommt zu Behinderungen der anderen Fahrgäste und Beschädigungen an den Fahrrädern.
Die Bahn richtet in ihren Gepäckwagen Fahrradhalterungen ein. [550, S.117-132] Erste Gepäckwagen sind in Plänen der bayerischen Bauarten ab 1858 und in preußischen Bauarten ab 1883 zu finden. [562]
In den 1880er und 1890ern kommt es in Deutschland zu einer zweiten Welle der Gründungen von Fahrradfabriken, die z.Tl. sehr schnell zu großen Betrieben wachsen. Als die Betriebe noch Kleinbetriebe waren, war die Konsumorientierung vorrangig, was sich mit dem Übergang der Fahrradindustrie mit der Herstellung vieler Kleinteile in die Arbeitsorientierung ändert. Der Einfluß der hohen Lohnkosten überwiegt den der Frachtkosten. [550, S.119]
Auch für die Arbeitsteilung, die sich in den 1880ern und 1890ern entwickelt, spielt die Frage der Transportkosten eine Rolle. Die Rohteileindustrie siedelt sich zu einem großen Teil im Rheinland und Westfalen an, wo wichtige Rohstoffe, wie Kohle, Koks, Stahl und Eisen vorhanden sind, während wichtige Standorte der Fahrradindustrie, von Verarbeitung bis zum gebrauchsfertigen Fahrrad, in Bielefeld, Brandenburg, Chemnitz, Frankfurt und Nürnberg sind, wo sich billige Arbeitskräfte finden. [550, S.119]


Es kommt zu vielen praktischen und unbrauchbaren Ideen, Basteleien und Experimenten. Hier einige Beispiele, die auf den sich bereits durchgesetzten Pedalantrieb beruhen:
Radrennen auf Walzen und Dusche mit Pedalpumpe. Beides 1897. [B126, S.18,19]


Wasserfahrzeuge
1881 [126, S.13] 1895 [126, S.17]
1880 [126, S.14]
1895 [126, S.16] 1895 [126, S.20]



in der Luft
1885 [126, S.14] 1888 [126, S.18]
1889 [126, S.17]



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  • Der Amerikaner Nick Kaufmann (1861-1943) (Erfinder von Radball →1883) bekommt von einem Nachbar seines Arbeitgebers ein Hochrad geliehen. Er kauft sich ein „Ordinary“ und übt von Beginn an artistische Tricks. [56]

  • Peugeot ist der erste industrielle Hersteller von Fahrrädern in Frankreich. [541]

  • Nachdem Königin Viktoria zwei Dreiräder von James Starley kauft, nennt er das Modell um in „Starley Royal Salvo“. [521, S.20]

  • Die britische Post setzt dreirädrige Lastenräder zur Zustellung von Briefen und Paketen ein.
    Bald darauf werden Fahrräder für den Warentransport umgebaut.
    Metzger und Bäcker liefern so ihre Waren aus, Handwerker können ihr Werkzeug transportieren. [521, S.86]

  • Der Pariser Gustave Trouvé baut in das englische, 55kg schwere, dreirädrige Starley Coventry Lever Tricycle einen 5kg schweren Elektromotor von Siemens, mit 70W (0,1PS) Leistung, unter die Achse ein. Ein 12V Bleiakku ist hinter dem Fahrersitz montiert. Die Geschwindigkeit wird mit der eines guten Pferdefuhrwerks verglichen.
    Diese Trouvé Tricyclette ist nicht nur das erste E-Bike, es gilt auch als das erste Elektrofahrzeug überhaupt. [539]

  • Bis 1887 werden 5000 Star-Bicycles gebaut, ein amerikanisches Hochrad, bei dem das Vorderrad kleiner als das Hinterrad ist. Es hat einen Trethebelantrieb auf das Hinterrad. Um die verdickte Achse gewickelte Lederriemen werden mit den Hebeln abgerollt, die damit das Rad antreiben. Freilauf und Federn wickeln die Riemen wieder auf und bringen die Hebel in die Ausgangslage zurück. Da die Trethebel unabhängig voneinander funktionieren, hat es bei gleichzeitiger Betätigung eine große Beschleunigung. Mehrere Patente und Personen entwickeln das Modell weiter, so dass ab 1885 größere Stückzahlen produziert werden. Auch in Deutschland wird es in Lizenz produziert. Erfolgreich ist es nur in den U.S.A. Mit dem Siegeszug des Sicherheitsniederrades von John Kemp Starley endet die Produktion 1887. [138][521, S.19]

  • In Frankfurt am Main treffen sich erstmals deutsche Radfahr-Vereine, um einen Verband zu gründen. Es wird noch ein paar Jahre dauern. [157]

  • Die erste deutsche Radsportzeitschrift erscheint: Das Veloziped. [157]

  • In Frankfurt am Main wird nach London (1876) und New York die dritte Kunsteisbahn der Welt eröffnet. [61]



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  • Der Amerikaner Nick Kaufmann tritt in seiner Heimatstadt Rochester öffentlich auf. Reuben Punnett, der schon Preise im Trick Cycling und Langsamfahren gewonnen hat, wird auf ihn aufmerksam und ihn trainieren. Zukünftig wird er von Kunstradvorführungen leben. [56]

  • Der Amerikaner George M. Hendee (1866-1943) gewinnt sein erstes Radrennen (Hochrad). Weitere 308 Siege folgen, auch Meistertitel und Rekorde. 1895 gewinnt er die Hochradweltmeisterschaft. 1897 eröffnet er eine Produktion von Safety-Fahrrädern, 1902 beginnt er als erstes in den U.S.A. die Massenproduktion von benzinbetriebenen Motorrädern. 1913-1917 ist seine Firma "Indian" der weltgrößte Produzent von Motorrädern. 2010 wird er in die United States Bicycling Hall of Fame aufgenommen. [214] Hendee entfernt das kleine Rad seines Hochrades und lernt mit dem Vorderrad allein zu fahren. In einem zeitgenössischen Artikel heißt es, er sei wahrscheinlich der erste Mann, der das Einrad beherrscht. [207, S. 153]
    Ist natürlich quatsch, denn es gibt ja bereits Einräder. →1880

  • Ein Monowheel von 1882. [557, S.12][B126, S.12]

  • Der Konkurenzkampf der Hochradhersteller ist groß, die Konstruktion bietet nicht viele Gestaltungsmöglichkeiten, so punkten die Hersteller mit verschiedensten Ausstattungsmerkmalen: Das elegante 21kg schwere Hochrad aus englischer Produktion hat einen Stahlrohrrahmen, hohle Profilgabel, Radialspeichen, Vollgummireifen, Löffelbremse, gummigelagerte Sattelfeder und Sturmlaterne. [552, S.34,35][B167]

  • Mit dem Hochrad Le Grand Bi bringt Peugeot sein erstes Fahrrad auf den Markt und beginnt mit der Massenproduktion von Fahrrädern.[521, S.98]
    Bis 1888 hat sich Peugeot mit seinen Fahrradmodellen am Markt etabliert. [541]

  • Um ein deutsches Wort für Bicyclette, Veloziped, Michauline und andere Bezeichnungen einzuführen, schlägt der Germanist und Lehrer Hermann Dunger „Reitrad“ vor. Die Bezeichnung kann sich nicht durchsetzen. [130]

  • Die deutsche Jahresproduktion von Fahrrädern beträgt etwa 2500. [130][550, S.144]



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  • Das Renn-Hochrad von Andrews erreicht ein Gewicht von nur 8,8kg. [58]

  • Das Sociable ist ein Dreirad für mehrere Personen. [557, S.11][B126, S.11]

  • Auf der Suche nach Fortbewegungsmitteln experimentiert der polnische Ingenieur Stanislaw Barycki mit verschiedenen Antrieben für Monowheels, z.B. Segeln. Er erfindet das pferdegezogene Monowheel. Keine seiner Erfindungen kann sich durchsetzen und er stirbt völlig verarmt. [211][B031]

  • Das erste Radballspiel: Nick Kaufmann gegen John Featherley in Rochester. Nachdem Nick einen Mops, der ihm vor das Star-Bicycle lief, vorsichtig mit dem Rad zu Seite schob (das kleinere Vorderrad verhindert zwar schwere Stürze, wie sie beim Hochrad vorkommen, ist aber instabiler, so das es bei Gewichtsverlagerung nach hinten, leicht anzuheben ist), kam er auf die Idee, statt des Hundes lieber einen Ball zu nehmen. [56][138]



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  • Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) wird in Leipzig gegründet. Heißt zunächst aber noch Deutscher Radfahrerbund (DRB). [157]

  • Edouard Carl Friedrich Otto bringt das Kangaroo auf den Markt, ein Hochrad mit Kettenantrieb [130][B032]. Von diesem Model kann er etwa 100 Stück in der Woche verkaufen. [181]

  • John Kemp Starley (Neffe von James Starley) stellt an der Stanley Veloshow in London [129] sein 20kg schweres [467] Sicherheitsniederrad „Rover Safety Bicycle“ vor (Seine gegründete Firma Rover (deutsch: Wanderer) wird später auch als Automarke bekannt werden). Voraussetzung für eine hohe Geschwindigkeit bei nicht vergrößertem Vorderrad war die Rollenkette. Nun entfernt sich das äußere Erscheinungsbild vom Einrad. Aber erst mit einem Rennen von London nach Brighton und zurück konnte er überzeugen. Die Strecke wurde mit einem neuen Weltrekord bestritten und binnen weniger Jahre wird das Hochrad vom Markt verdrängt. Rover Typ II erreicht innerhalb eines Jahres einen Marktanteil von 90% und gilt heute als Prototyp des modernen Fahrrades. Im Gegensatz zu Rover I befindet sich die Steuerung direkt an der Vorderradachse und die Bremse am Vorderrad. [129] In der Kombination mit Luftreifen, die Unebenheiten abfedert, erreicht es eine 30% höhere Geschwindigkeit. [467]

  • Ein Monowheel von 1884. [557, S.12][B126, S.12]

  • Im Deutschen Kaiserreich sind die ersten brauchbaren Kugellager erhältlich, die den Reibungswiderstand in Naben und Tretlagern deutlich verringern. Später auch produziert in der „Veloziped Gußstahlkugelfabrik“ , die von Friedrich Fischer gegründet wurde, dem Sohn von Philipp Moritz Fischer, dem „Erfinder“ des Tretkurbelfahrrades. [107][108]

  • Pedale erhalten eine Gummitrittfläche und Kugellager. [34]

  • Die Anzahl der Spieler eines Eishockeyteams wird von 9 auf 7 verkleinert. [61]



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  • Der britische Autor Thomas Stevens (1853-1935) umradelt als erster die Welt auf zwei Rädern. Mit einem 50Zoll Hochrad von Albert Pope der Marke Columbia. Er kalkuliert 16km/h. [59]

  • In Dreirädern kommen Planetengetriebe zum Einsatz. [54]



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  • Der Amerikaner Nick Kaufmann nimmt an einer dreitägigen Radsportveranstaltung in Springfield teil. Er bestreitet als einziger das Einradrennen über eine Meile. Er erzielt einen Rekord und die Aufmerksamkeit der Presse und der Radsportszene. Springfield Republican: „On One Wheel Against Time“. [56] →1886

  • An Militärfahrrädern in Österreich wird das Zyklometer eingeführt: in Kenntnis des Radumfanges wird mittels Umdrehungszahl die Wegstrecke angezeigt. [241]

  • Der Amerikaner Charles Hanson meldet Klickpedale zum Patent an. Damals wie heute sind dafür besondere Schuhe notwendig. [34]

  • In Kanada startet der Ligabetrieb im Eishockey. [61]

  • Statt der bisherigen Bezeichnung „Vélozipèd“ wird „Bicyclette“ und „Bicycle“ üblich. [182]

  • Im Deutschen Kaiserreich wird die Bezeichnung „Fahrrad“ eingeführt. [130]

  • Lucius D. Copeland baut in Philadelphia etwa 200 Dampfräder aus dem Star- Bicycle. [138][B5]

  • Die Brüder Mannesmann lassen sich ein Verfahren zur Erzeugung von nahtlosem Stahlrohr patentieren. Ab 1890 ist es erhältlich und ersetzt den schweren massiven Stahl oder den Hohlstahl als Rahmenmaterial. [111]

  • Die deutsche Jahresproduktion von Fahrrädern beträgt etwa 5000. [550, S.144]

  • Dr. Robert Koch (Medizin-Nobelpreisträger 1905) droht Zwei- und Dreiradfahrern mit Katharren, Gelenkrheumatismus, Herzklappenfehlern, Nieren- und Rückenmarkserkrankungen, Lungenemphysem, Herzdilatation, Aortenneurisma und der Schädigung der Unterleibsorgane, vom akut lebensgefährlichen Sonnenstich ganz zu schweigen.

    Wenig später ergänzen amerikanische Ärzte die Liste noch durch unmittelbare Gefahren für die Nieren, den Magen, das Nervensystem, die Blutgefässe, die Blase, die Prostata, die Sinnesorgane und sogar für den Blinddarm.
    Ein deutscher Mediziner befürchtet, das Radfahren würde zu ungehemmter geschlechtlicher Triebkraft führen, ein Risiko, dass seine amerikanischen Kollegen nicht so sehen: sie vertreten die Ansicht, das Radfahren mache impotent. [552; S.9,10]



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  • Das erste Einradrennen, in Greiz (Thüringen). [100, S. 17] (So steht es im Buch „Die Kunst des Einradfahrens“ von Björn Dinklage (edition aragon), allerdings bin ich bei meinen Recherchen darüber gestolpert, dass Nick Kaufmann bereits ein Jahr vorher an einem Einradrennen in Springfield teilgenommen hat und müsste es hier rausnehmen. Vielleicht wird das Rennen in Springfiel nicht als Rennen gezählt, weil nur eine Person teilgenommen hat? Vielleicht hat Björn nicht ordentlich recherchiert (war ohne Internet auch schwerer)Wie auch immer, ich lasse beides mit diesem Hinweis hier stehen.)) Ein Bild zeigt 5 Personen mit zu Einrädern ummontierten Hochrädern. Man kann Lenker aber keine Sättel erkennen. [222, S. 170][B035]

  • Der Amerikaner Nick Kaufmann tritt auf der Fahrradmesse in London auf und tourt danach zehn Jahre durch Europa. Er tritt beim Bundestag des Deutschen Radfahrerbundes auf und begleitet die Parade mit dem Einrad. [56]

  • Richard Weber erfindet den Fahrraddynamo. [130]

  • Das deutsche Unternehmen NSU, das ursprünglich (1873) Strickmaschinen herstellte, beginnt seine Fahrradproduktion mit dem Hochrad „Germania“.
    Es folgen Niederräder wie z.B. 1888 das Sicherheits-Zweirad „Pfeil“.
    NSU wird 1955 zum größten Zweiradhersteller der Welt. [561]

  • Der deutsche Ingenieur, Radrennfahrer und Redakteur Georg Rothgiesser (1858-1943) erhält das Patent auf sein ungewohnt zu fahrendes Sicherheitszweirad mit Sattellenkung: Der Sattel befindet sich auf der Vorderradgabel, diese Verbindung kreuzt die Verbindung Hinterrad/Lenker.
    Damit läßt es sich leicht freihändig fahren, aber die Belastung der Verbindung veranlasst den Erfinder schon bald ein verändertes Modell auf den Markt zu bringen.
    Georg Rothgiesser hat zahlreiche Patente, z.B. für einen Schnursattel (das Leder setzt sich nicht so schnell durch 1883, mit Nachspannvorrichtung 1886), anschraubbarer Aufstieg für Hochräder (1883), Gepäckfach unter dem Sattel (1883), Steigungsanzeiger am Lenker (1883), Rational-Reifen (massiver Reifen mit flacher Lauffläche für bessere Traktion), ... .
    Sein Patent für Pedale mit viereckigen Gummis wurde 1884 abgelehnt. [550, S.10 bis 25]

  • Im Deutschen Kaiserreich werden Fahrräder militärisch genutzt. [130]



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  • John Keen legt mit seinem Hochrad die Meile (ca. 1,6km) in 2 Minuten und 30 Sekunden zurück (38,6km/h). [58]

  • In Großbritannien und Spanien werden militärische Fahrradkompanien eingeführt. [521, S.30]

  • Auf dem Halensee in Berlin findet das erste Eishockeyspiel nach kanadischer Spielart auf deutschem Boden statt. [61]



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  • Der schottische Tierarzt John Boyd Dunlop patentiert den Luftreifen. Damit gibt es keinen Vorteil mehr von Hochrädern gegenüber dem Sicherheitsniederrad. Seinen ersten Gummireifen umwickelt er mit Stoffstreifen aus dem Kleid seiner Frau. Angeblich soll er den Reifen für das Dreirad seines Sohnes gemacht haben, damit dieses nicht mehr so laut ist und er bessere Chancen bei Rennen gegen seine Freunde hat. [5]

  • Das Rover III kommt auf den Markt. Das fehlende Sattelrahmenrohr bei allen Rover-Rädern ist der auffälligste Unterschied zu heutigen Fahrrädern. [129]

  • Radfahrabteilung in der britischen Armee. [B126, S.20]

  • In Ashfield findet das erste australische Radrennen für Frauen statt. Es geht über 2 Meilen.[151]

  • Der Amerikaner Nick Kaufmann gewinnt die Kunstradweltmeisterschaft in London. Er erhält die Medaille mit der Aufschrift: „Professional Cycle Trick-Riding Championship of the World“. In den nächsten Jahren wird er weitere Preise erlangen, z.B. den ersten Rang bei der Rad-WM in Chicago 1893, Europameisterschaft 1893, Meisterschaft von Bayern 1894. Er hat zahlreiche Firmen-Sponsoren und läßt professionelle Ansichtskarten von sich drucken. [56]

  • W. H. Barber berichtet im Wheelmen Bulletin, dass er die Meile in 3 Minuten und 27sec auf dem Einrad zurückgelegt hat. 10sec schneller, als der bisherige Weltrekord. [207, S. 154]

  • Bert Myers bricht mit dem Vorderrad eines Hochrades alle Einradrekorde von 2 bis 14 Meilen. Er legt in einer Stunde 13 Meilen und 5,098 Fuß zurück und benötigt für 14 Meilen eine Stunde und 7 Sec. Es soll die längste Strecke auf einem Einrad sein, die bisher ohne absteigen zurückgelegt wurde. [207, S. 154]

  • Die Berichte deuten daraufhin, dass sich Einradfahren etabliert hat und es üblich ist, Hochräder in Einräder umzubauen. [207, S. 154]

  • Die deutsche Jahresproduktion von Fahrrädern beträgt etwa 20.000. [550, S.144]



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  • Das James Ordinary Racer Renn-Hochrad wiegt nur 7kg. [58]

  • Unter 94 englischen Fahrradmodellen gibt es nur noch zwei Hochräder. Aber schon 5 Damenräder. [58]

  • Das Modell „Ladies Rover“ von John Kemp Starley mit Vollgummireifen, Stempelbremse auf das Vorderrad, Federsattel und Kettenschutz, kommt auf den Markt. [130][231]

  • Die „League of American Wheelman“ schreibt in ihrer Zeitschrift „Bicycle“:
    „Je eher die Radfahrerin von der Strecke gebuht wird, desto besser für unseren Sport.“ [534]

  • Paul de Vivie wird am Pass von einem Pfeife rauchenden und Zeitung lesenden Radfahrer überholt [161]. In der Folge montiert er unterschiedliche Kettenblätter für verschiedene Übersetzungen. [55]

  • In Belfast gewinnt der Ire Willie Hume das erste Rennen mit luftgefüllten Reifen gegen den nationalen Meister Arthur du Cros. In Liverpool wird sein Fahrrad in einem Schaufenster eines Fahrradgeschäftes ausgestellt, was so einen Menschenauflauf verursacht, dass die Polizei geholt wird, um Bürgersteig und Straße zu räumen. [4]

  • Der Amerikaner A. P. Morrow läßt den Freilauf patentieren. Unter Radfahrern ist das zunächst umstritten. [113]

  • Es werden Patente für die Felgenbremse erteilt. [130]

  • Belgisches Patent an Fabrique Nationale Herstal für ein kettenloses Fahrrad mit Wellenübertragung auf das Hinterrad. [130]

  • Die Fahrrad-Fabrik Rothgiesser & Co verkauft Fahrräder mit „Polsterreifen“: Vollgummireifen mit verschieden großen Hohlräumen. [550, S.25] →1886

  • Der Spielzeug-Unternehmer Adolph Schoeninger gründet in Chicago die Western Wheel Works, eine Fabrik für Fahrräder. Mit seiner Methode Stahl kalt zu pressen, statt wie bisher zu erhitzen und dann zu formen, kann er Fahrräder schneller und preisgünstiger produzieren und sie damit einem größeren Publikum zugänglich machen. Dieser Prozess wird später in der Automobilindustrie übernommen. [278][279]

  • England hat 30 Bataillone mit Fahrradabteilungen. [130]

  • Die Aussteller und Besucher der ersten deutschen Fahrradausstellung in Leipzig kommen mit der Eisenbahn. [550, S.125]

  • Auf der Pariser Weltausstellung erhält das Fahrrad, wie wir es heute kennen, seinen neuen Namen: Vélocipède bicycle (zweirädriger Schnellfuß) und wird einem breiteren Publikum vorgestellt.[34]



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  • Um 1890, kurz bevor sich die Luftreifen durchsetzen, gibt es Experimente, das Durchschütteln auf den (noch) schlechten Strassen, mit drei Rädern hintereinander(!), zu verhindern. Bei einigen Modellen werden das Vorderrad und das Hinterrad gelenkt. Das funktioniert zwar gut, aber durch das damit verbaute Gestänge, mehr Rahmen-Material um das dritte Rad aufzunehmen und eben das dritte Rad, sind diese Fahrräder sehr schwer. Gewicht und die Mehrkosten der aufwändigen Konstruktion verhindern eine weite Verbreitung. Mit dem Durchsetzen der wechselbaren Luftreifen, verschwinden die dreirädrigen Modelle schnell wieder vom Markt. [521, S.26, 27]

  • Die Brüder Michelin erfinden den wechselbaren Luftreifen. [201]

  • Der britische Erfinder Charles Kingston Welch läßt den Drahtreifen mit Schlauch patentieren. Dunlop erwirbt das Patent und produziert die wechselbaren Reifen in großer Stückzahl. [130]

  • Ein Radrennen bei Niagara-Falls gewinnen die Engländer mit luftgefüllten Reifen. Es besteht Bedarf an einem Fahrradventil, das von dem aus Hannover stammenden Amerikaner August Schrader ab 1891 produziert wird. Wir kennen es heute als Autoventil. [2]

  • Thomas Humber entwickelt den Diamantrahmen (Fünfeckrahmen) [130]. Er ist stabiler als der bisher verwendete Kreuzrahmen. [111]

  • Nachdem erste Niederräder (entspricht im äußeren Erscheinungsbild dem heutiger Fahrräder) in Rennen gegen Hochräder gewinnen können, setzt sich das Niederrad durch. [202]

  • Ein junger russischer Leutnant radelt von St. Petersburg nach London, rund 122km am Tag. [467]

  • Peugeot bietet Prämien für die Entwicklung fliegender Fahrräder. [521, S.99]

  • Das Fahrrad ist das schnellste Fortbewegungsmittel, das auf Straßen unterwegs ist. [467]

  • Ein Fahrrad kostet 230,-Mark. [151]

  • Auf vielen Radrennen müssen Distanzen von mehr als 500km bestritten werden.

  • Nachdem er bei einem Ausritt von einem Fahrrad überholt wird [521, S.37], erwirbt Albert Augustus Pope (1843-1909) nahezu alle U.S. Patente für Fahrräder. Fast jeder Fahrrad- Hersteller in den U.S.A. muß etwa 10 US-Dollar Lizenzgebühr für jedes gefertigte Fahrrad zahlen. Damit baut er ein Imperium auf. Seine Marke heißt „Columbia“ und basiert auf ein Patent von Lallement. Mitte der 1890er, die Höhe des Fahrradbooms in den U.S.A., fertigt Pope pro Jahr eine Millionen Fahrräder [216]. Die automatisierte Fertigunsstrasse wird eines Tages Markenzeichen der Autoindustrie. Die Mitarbeiter dürfen sich über Fahrradparkplätze, private Schließfächer, subventionierte Mahlzeiten und eine Bibliothek freuen [467]. Pope setzt sich auch für bessere Radwege ein. Er wurde in die United States Bicycling Hall of Fame aufgenommen. [216]

  • Bei Leipzig findet das erste Radrennen (auf Dreirädern) für Frauen im Deutschen Kaiserreich statt. Die Siegerin erhält eine Brosche und eine Schürze aus Seide. [151]

  • Bereits Carl von Drais bot Laufräder für zwei Personen an, damit zählen die aneinander gebauten Hochräder nicht als erste Tandems. Sie erinnern an zwei zusammen gebaute Einräder. [58][B125]

  • Der menschliche Genpool wird beeinflußt: Kirchenbücher in England zeigen einen deutlichen Anstieg der Hochzeiten zwischen den Dörfern während der Fahrradwelle. Moralapostel merken an, dass die jungen Leute oft schneller seien, als ihre älteren Anstandsdamen. [467]

  • Sattelstütze mit erweiterter horizontaler Verstellmöglichkeit ermöglicht es Heranwachsenden bereits ein Erwachsenenfahrrad zu benutzen. [49]

  • In Einbeck baut August Stukenbrok eine Fahrradfabrik auf, die mit einem Versand direkt an die Kunden verkauft. Es ist damit der zweite Versandhandel überhaupt im Deutschen Kaiserreich [276]. Im ersten Geschäftsjahr verkauft er 28 Fahrräder, 5 Jahre später hat er schon 30 Angestellte und Handwerker. Die Verkaufszahlen verdoppeln sich von Jahr zu Jahr. Die Produktpalette wird im Laufe der Zeit erweitert, während zuerst nur Fahrräder und Ersatzteile verkauft werden, kommen bald Werkzeug, Fahrradzubehör, wie Klingeln, Hupen, Lampen dazu, Halterungen für die Taschenuhr am Fahrrad, Säbel- und Gewehrhalter, aber auch Mittel um Hunde zu verjagen, wie Peitschen, „Hundekanonen“, Schreckschußpistolen und Spritzapparate, die mit verdünntem Essig, Spiritus oder Ammoniak gefüllt werden [275]. Ab 1906 kommen u.a. Waffen und Jagdartikel, Ferngläser, Nähmaschinen, Uhren, Fotoapparate, Gold- und Silberwaren, Spielwaren, Christbaumschmuck, Grammophone und Musikinstrumente dazu. Die Auflage des ersten Versand-Kataloges betrug 80.000 und 20.000 wurden noch nachgedruckt. Seine Marke „Deutschland-Fahrrad“ wird später auch unter dem Namen „Teutonia“ bekannt. [275, Vorwort]