Die Geschichte vom Einrad, Einradhockey und RADLOS



-Erste Radrennen
-Michaulinen
-technische Neuerungen am Fahrrad
-erste Einradkonstruktionen


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  • Michaulinen sind die ersten Fahrräder, die in größeren Stückzahlen gebaut werden.
    Bis zur Einführung des Hochradmodells von Ariel 1871 ist es das erfolgreichste Zweirad.
    Es wird einige Jahre ausschließlich in Frankreich gefertigt. Wegen der großen Nachfrage im Land wird es auch nicht exportiert. Erst ab 1866 gibt es Nachbauten in den U.S.A., ab 1868 Serienproduktionen in England („Coventry Machines Companie“) und Deutschland (Büssing).
    Aufgrund der geringen Federung und den schlechten Strassen wird die „Michauline“ in England „Boneshaker“ genannt. [40]



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  • Der Wagner Pierre Michaux (1813-1883) repariert die Laufmaschine des Hutmachers Brunel und kommt zusammen mit seinem Sohn Ernest auf die Idee, am Vorderrad Tretkurbeln anzubringen, ähnlich wie bei einem Schleifstein.
    Eine ältere Quelle spricht von einem Dreirad. [564]
    Eine andere Quelle nennt das Jahr 1863, als Pierre Lallement in der Firma von Michaux arbeitete und später die Idee für sich in Anspruch nimmt.
    Auf guten Wegen wird eine Geschwindigkeit von 13km/h erreicht. [40] Bereits vorher gab es einzelne Laufmaschinen mit Kurbelantrieb, wie z.B. von Fischer 1853. Diese waren aber für den Eigenbedarf gedacht. Michaux vermarktet „seine“ Erfindung geschäftstüchtig und kann sie nach einer Präsentation auf der Weltausstellung in Paris 1867 oft verkaufen. →1865
    Auf die Geschichte der Michauline wird hier etwas mehr eingegangen, weil es ein klarer „Evolutionsschritt“ von der Laufmaschine zum Hochrad und dann zum Einrad ist. Mit dem Anbringen von Kurbeln und Pedale an das Vorderrad der Michauline ähnelt dieses Rad schon sehr einem Einrad.


  • Das Bild zeigt eine Version von 1868.[B019]
  • Der britische Nähmaschinenfabrikant James Starley (1830-1881) beginnt mit der Fahrradherstellung und verbessert die Modelle stetig weiter.
    Von ihm stammt das spätere Hochradmodell Ariel, ein Bestseller.→1871[522]
    Eines seiner frühen Hochräder baut er für Frauen so um, dass diese nicht hinter dem großen Rad sitzen, sondern daneben, was sich als instabil erweisst. Er montiert ein drittes Laufrad und so entsteht sein erstes Dreirad.
    Seine Dreiräder werden nahezu in die ganze Welt exportiert. [521, S.20]



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  • Der „Bureau-Offiziant des königlichen Obersthofmeisterstabes“ Karl Keck (oder Kech) läßt an das Laufrad des 1835 verstorbenen Joseph von Baader Tretkurbeln vom Schmiedemeister Heigl in Nymphenburg anbringen.
    Die Kombination Baaders Laufrad von 1825 und Tretkurbeln sorgen lange Zeit für eine Fehleinschätzung der zeitlichen Einsortierung der Erfindung des Tretkurbelfahrrades. [552, S.30][618] →1825, →1840er



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  • Pierre Michaux und Pierre Lallement bauen gemeinsam eine Zweiradfabrik auf. Lallement wird bereits nach einem Jahr wieder aussteigen und sein Glück (leider erfolglos) in den U.S.A. versuchen. [552, S.31]
    Zwischen 1862 und 1864 stellt Michaux 142 Michaulinen her. [552, S.31]

  • Pierre Lallement entwickelt das Fahrradpedal weiter: Er steckt Holzspulen auf die Wellenschäfte und gilt damit als der Erfinder des drehbaren Fahrradpedals. [34]→1840er



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  • Der schlangenförmige Holzrahmen der Michaulinen wird teilweise von schmiedeeisernen Rahmen ersetzt. Die frühen hölzernen Modelle wiegen 25 bis 27kg. Die späteren schmiedeeisernen Modelle zwischen 30 und 40kg. [40]



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  • Das erste Straßenradrennen überhaupt. In Amiens (Frankreich). [296]
    Es folgen weitere Rennen, die noch heute stattfinden, wie z.B. Lüttich-Bastogne-Lüttich (seit 1892), Paris-Roubaix (seit 1896) oder Mailand-Sanremo (seit 1907). [156]

  • Der Franzose Pierre Michaux produziert binnen eines Jahres 400 Michaulinen. [58] Damit ist es die erste Konstruktion, die in größerer Stückzahl produziert wird. [130] Um den Markt zu befriedigen, hätten es auch weit mehr sein dürfen. [552, S.31]

  • Der Bandy-Club Nottingham Forest wird gegründet. [28]



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  • Ein ähnlicher Entwurf wie die Michaulinen wird in den U.S.A. von Pierre Michaux Ex-Mitarbeiter Pierre Lallement (1843-1891 vereinsamt) patentiert. [41] Michaux und Lallement streiten ihr Leben lang, wer von ihnen auf die Idee mit dem Kurbelantrieb am Vorderrad kam. [552, S.31]

  • Lallements US-Patent von 1866
    [41][B122]
    Lallement auf seiner Erfindung um 1870
    [41][B123]

  • Die 19km lange Fahrt von Pierre Lallement nach New Haven in den U.S.A. gilt als erste Rekordfahrt mit einem Fahrrad außerhalb Europas. [521, S.13]



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  • Das erste Eintagesrennen in Paris: Etwa 100 Teilnehmer radeln von der Champs-Élysées zum 23km entfernten Schloß Versailles. [281][296]

  • Bei den Michaulinen wird ein diagonaler schmiedeeiserner Rahmen eingeführt. Das Vorderrad mit Holzspeichen und aufgeschrumpftem Eisenband wird mit Durchmessern von 80, 90 und 100 cm, das Hinterrad mit 60 bis 80cm geliefert. Die Sitzhöhe beträgt 60 bis 100cm. Die Radachsen haben ein Bronzegleitlager.
    Es wird eine Klotzbremse eingeführt, die mittels Seilzug auf das Hinterrad wirkt. Die Pedale fallen mittels patentierter Gewichte an der Unterseite, stets in eine waagrechte Position. Der lederne Sattel ist über einer Blattfeder aufgehängt.
    Zwei starre Beinauflagen übernehmen die Funktion eines einfachen Freilaufes. [40][552, S.32]

  • Auf der Weltausstellung in Paris präsentiert der Wagenbauer Pierre Michaux zwei Michaulinen und erregt damit internationale Aufmerksamkeit. [40]
    Von 1863 bis 1870 werden etwa 6125 Michaulinen gebaut. [130]

  • Der Franzose Gonel erhält das Patent für das Zugspeichenrad und erweitert es 1869 auf Velozipede. [181]

  • Das Berliner „Patent- und Technische Büro M. Brandt“ gibt eine Ehrenerklärung ab, wonach nicht Pierre Michaux, sondern Franz Kurtz den ersten mechanischen Antrieb erfunden habe. →1847 [106]
    Korrekterweise muß hier erwähnt werden, dass mit mehr Erkenntnis im 21sten Jahrhundert zur Fahrradgeschichte herauskommt, dass auch das nicht stimmt. Viele Erfindungen aus der Anfangszeit des Fahrrades und der Draisine sind nicht zur Patentierung gekommen oder waren nur Regional von Bedeutung, weil es eher "Basteleien" von Einzelpersonen waren, bzw. es noch keinen Patentschutz gab.



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  • Das erste Radrennen unter Frauen: 4 Teilnehmerinnen radeln auf Michaulinen 500m durch den Park von Bordelais in Bordeaux. [151][231][296]

  • Bis April werden in Paris nur wenige hundert Michaulinen mit dem schlangenförmigen Rahmen hergestellt. [40]
    Die Bauformen von Michaulinen werden unterschieden in:
    -Schlangenförmiger Rahmen
    -Diagonalrahmen
    -Holzrahmen
    -Eiserner Rahmen
    -mit Holzspeichen
    -mit Drahtspeichen

  • Im Mai steigen die Brüder Olivier als Investoren ein. Die Firma von Michaux wird in „Michaux et Cie.“ umbenannt. [40]

  • 300 Arbeiter bauen 5 Michaulinen pro Tag. Tendenz stark steigend. [40]

  • In den U.S.A. findet der gesellschaftliche Durchbruch der Michaulinen statt. [40]

  • Der englische Student Rowley B. Turner bringt die neueste Michauline aus Paris nach Coventry. Sein Onkel Josiah Turner, Direktor der „Coventry Sewing Machine Company“, deren Nähmaschinenproduktion gerade stagniert, nimmt die Produktion von Michaulinen auf, um sie nach Frankreich zu exportieren.
    Die in „Coventry Machines Companie“ umbenannte Fabrik wird bald enttäuscht, denn die Nachfrage in Frankreich bricht mit dem Krieg zusammen. Jetzt werden Abnehmer auf den Britischen Inseln gesucht und die Michaulinen finden hier reißenden Absatz.
    Mitbegründer James Starley (1830-1881) wird 1870 seine eigene Firma (Ariel) gründen und das epochale Hochrad Ordinary entwickeln. Die höhere Geschwindigkeit der Hochräder ist Trumpf. Es wird ein Bestseller. [552, S.34]
    Eines seiner frühen Hochräder baut er für Frauen so um, dass diese nicht hinter dem großen Rad sitzen, sondern daneben, was sich als instabil erweisst. Er montiert ein drittes Laufrad und so entsteht sein erstes Dreirad.
    Seine Dreiräder werden nahezu in die ganze Welt exportiert. [521, S.20]

  • Der Pariser Mechaniker Eugène Meyer erhält das Patent für sein Drahtspeichenrad.
    Ihm werden viele Beiträge zur Entwicklung des Fahrrads zugeschrieben. Er gilt als der Erfinder des ersten Kettenfahrrads [532]

  • Die ersten Sicherheitsfahrräder kommen auf, können sich aber (noch) nicht durchsetzen. [107]

  • Die Eisengießerei von Wilhelm Schlüter in Pinneberg kopiert Velozipede und bringt sie 1869 zur Praxistauglichkeit. [51]

  • Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gibt es ab 1868 mindestens 37 Hersteller von Hochrädern. [130]



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  • Im Buch „Velocipedes-bicycles and tricycles“ erscheint der Text: „[...] doch in Sachen Fahrrad haben wir [Engländer] uns ein paar Extravaganzen geleistet. Zumindest haben wir Fahrrad-Eisenbahnen vorgeschlagen, und wir haben das Einrad!“ [100, S. 15]
    Der Autor ist nicht bekannt.[595, S. 21,22] Auf welches Einrad er sich bezieht, kann wohl nicht mehr ermittelt werden. Vielleicht wurden auch in England Monowheels gebaut, wie wir sie aus Frankreich oder den U.S.A. von 1869 (s.u.) kennen.

  • In England findet der gesellschaftliche Durchbruch der Michaulinen statt. Hier wird die Michauline „French bicycle“ oder auch „Boneshaker“ (Knochenschüttler) genannt [40]

  • Allein in London gibt es schon 10 Velozipeden-Hersteller.
    In ganz England sind über 100 Firmen nachweisbar. [567, Geschichte 1868]

  • Erst acht Jahre nach der Firmengründung von Michaux in Paris gründet der 26jährige Heinrich Büssing in Braunschweig ein Fahrradwerk. Er hat ein Jahr zuvor von den französischen Zweirädern zum ersten Mal gehört. Es floriert sofort. Hier wird nun das bisher erfolgreichste deutsche Serienprodukt hergestellt.
    Büssing wird im 20sten Jahrhundert durch seine Omnibusse bekannt. [563][552, S.34][B183]

  • Der Eisenwarenhändler Harro Feddersen verkauft in seinem Geschäft in der Palmaille in Hamburg Velozipede von Wilhelm Schlüter aus Pinneberg und gilt damit als erster Fahrradhändler in deutschen Landen. [51]

  • Mit 20 Mitgliedern wird der erste Fahrradclub der Welt gegründet: Eimsbütteler Velocipeden-Reit-Club in Altona [51].
    Er richtet noch im selben Jahr ein Radrennen aus, mit Teilnehmern aus Frankreich, England und Dänemark [296]. Es ist das erste Radrennen in deutschen Landen und gilt damit als der Vorläufer der Cyclassics.

  • Schnell bilden sich weitere Radfahrerverbände, deren Mitglieder alle gutsituierte Bürger wie Kaufleute, Beamte, Akademiker sind. Aufgeschlossen gegenüber der neuen Sportidee haben sie die finanziellen Mittel, um sich Fahrräder zulegen zu können. Den Arbeitern fehlt die Zeit und das Geld. Als sich deren soziale Lage durch die neue Sozialgesetzgebung unter Bismarck bessert, ziehen sie nach. In den 1880er bilden sich die ersten Arbeiter-Radsportvereine. Sie werden von den Sozialdemokraten unterstützt und erhalten häufig den Beinamen Solidarität. Diese eigenständige Entwicklung ist auch Ausdruck der ausgeprägten Klassengesellschaft des späten 19ten Jahrhunderts. [604][607]

  • Radrennen tragen zur Verbreitung von Fahrrädern bei.

  • Per Polizeiverordnung wird in Köln bei Strafe das Reiten auf Velocipeden auf allen Straßen und Plätzen verboten.
    Das gilt bis 1894. [604]

  • Es boomt: In allen Zeitungen wird über das Veloziped berichtet, wie es funktioniert, Anekdoten und spektakuläre Unfälle. Noch ist nicht definiert, ob es ein Fortbewegungsmittel ist, ein Sportgerät und ob es sich nicht um eine Art Reiten handelt. [282]

  • Der Pedalantrieb ist so erfolgreich, dass er für weitere Fortbewegungsmittel ausprobiert wird. Z.B. als Tretboot. [557, S.11][B126, S.11]

  • Musiker Hans Christian Lumbye (1810-1874) oder auch Josef Strauss (1827-1870, Bruder von Walzerkönig Johann Strauss) komponieren einen Velozipeden-Galopp. [282]

  • In Hamburg wird eine Velozipeden-Quadrille unter der Leitung von Balletmeister Albert Knoll (1832- 1910) aufgeführt. Albert Knoll hat auch große Zirkusunternehmen der Zeit, wie Busch und Renz mit Choreographien der beliebten Pantomimen versorgt. [282]

  • In Hamburg wird von 8 Tänzerinnen des Stadttheaters ein Velozipeden-Ballet aufgeführt. [282]
    Weitere Institutionen folgen. [282]

  • Zwischen Paris und Rouen findet das erste Radrennen von einer zu einer anderen Stadt statt. [156]

  • Die englische Artistentruppe Hanlon Brothers versehen eine Michauline von Pierre Lallement mit Stoßbremse im Lenker, einschränkender Lenkeinschlag, Schutzbleche und Vollgummireifen. [52][58][40]

  • Nach dem Ausscheiden von Michaux wird seine Firma in „Ancienne Maison Michaux & Cie Parisienne“ (Compagnie Parisienne) umbenannt. [40]
    Am allerersten Platze, unweit des Arc de Triomphe, erreicht die Tageskapazität 200 Michaulinen.[552, S.31]

    Zum Marktführer konkurrierende Firmen, die Michaulinen nachbauen sind: Meyer & Cie, Truffault und Rousseau in Frankreich, Heinrich Büssing in Deutschland, Coventry Sewing Machine Company in England und die Wood Brothers in New York. [40]
    Der Zweirad-Markt wird monopolartig derart von den Michaulinen beherrscht, dass sich einige Zeit keine weitere Konstruktion etablieren oder auch nur entwickeln kann. Die große Nachfrage innerhalb Frankreichs lassen keine Exporte zu. [552, S.33]

  • Der rapide Preisverfall von Michaulinen ist bemerkenswert, er sinkt binnen eines Jahres von 125 auf 12 US-Dollar. [40]

  • Pierre Michaux und Louis Guillaume Perreaux bauen in einer eisernen Michauline eine mit Spiritus betriebene Dampfmaschine ein. Damit ist es ein Vorläufer des Motorrades. Es ist 88kg schwer, hat 1 bis 2 PS und erreicht 15km/h.
    Es setzt sich nicht durch, weil es unter dem Sattel zu heiß wird. [565]

  • Der Pariser Eugène Meyer läßt sich eine Michauline mit Vollgumibereifung (mit Eisenfelge und 4mm Drahtspeichen) patentieren [53]. Bis dahin wurden Holzspeichenräder mit aufgeschrumpftem Eisenband verwendet. [135]
    Dies wird aber erst 1871 mit dem Hochrad von Ariel in Serie verbaut. [40]

  • Das Guilmet-Meyer-Rad (Nach Entwürfen des Uhrmachers André Guilmet, umgesetzt von Meyer) ist ein Niederrad mit zwei ähnlich großen Rädern und eine Kraftübertragung mittels Pedale und Kette auf das Hinterrad. Es gilt als das erste Fahrrad mit Kette. [552, S.33]
    Damit entfernt sich das Vorderrad von der Ähnlichkeit zum Einrad. Aber zunächst wird sich das Hochrad durchsetzen, bevor der Kettenantrieb weite Verbreitung findet.
    Uhrmacher kennen bereits die Kraftübertragung mittels kleiner Ketten, z.B. der Kettenzug eines Pendelwerks. Das ein Uhrmacher die Idee für eine Kraftübertragung mittels einer Kette hatte, ist durchaus wahrscheinlich. Die Verarbeitung wird zu der Zeit aber noch nicht die nötige Qualität gehabt haben, um ein „geschmeidiges“ Arbeiten gewährleisten zu können. Eine Führung der Kette ist nicht zu erkennen. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass sich längere Ketten minderer Qualität und ohne Führung „aufschaukeln“ und dann neben das Ritzel gleiten. Es ist nicht bekannt, warum es noch so lange dauerte, bis sich die Kette durchsetzte, dies ist eine persönliche Spekulation. Es kann auch einfach ein zu häufiges Reißen gewesen sein. Das ist auch wahrscheinlich, da die Ketten noch „ruckelten“ und damit größeren ruckartigen Kräften ausgesetzt waren.
    Die Kette konnte sich lange Zeit nicht vollständig durchsetzen. Es gibt noch einige Jahre viele Experimente, die Kraft zu übertragen, z.B. mittels Zahnräder, Kardanwelle, Klavierdrähte, ...
    Aber es kommt erst mal die Hochzeit der Hochräder.

  • Auf dem Salon du vélocipède de Paris wird ein Prototyp eines Ketten-Schaltwerkes präsentiert. Es wird aber noch Jahre bis zur Serienreife dauern. [55]

  • Auf der internationalen Vélozipèden-Ausstellung in Paris werden viele neue Produkte rund ums Zweirad vorgestellt:
    Leichte Ganzmetallmaschinen, Rohrrahmen, Eisenfelgen mit Drahtspeichen und Vollgummireifen, Vorderradbremse, Vorderradfederung, Kotflügel, Freilauf, Getriebe mit zwei und vier Gängen, Kugellager, Räder mit vergrößertem Antriebsrad,... [552, S.33]

  • Der Franzose Jules Surirey erhält das Patent für Kugellager am Fahrrad. [46] Bis dahin nutzte man Gleitlager aus Bronzeguß. [130]

  • Der Boom der Velozipede geht schon wieder zu Ende. [51]

  • Einige Patente für Dicycles werden eingereicht: Fahrzeuge mit zwei nebeneinander laufenden Rädern.

  • Die Amerikaner Allen Greene und Elisha Dyer bauen ein käfigartiges Einrad. Der Fahrer sitzt im Rad. [210]

  • Richard C. Hemmings aus New Heaven läßt in den U.S.A. ein Einrad patentieren, bei dem man im Rad sitzt [207, S. 145]. Ob es jemals gebaut wurde, ist unbekannt. [211]
    Eine vergleichbare Konstruktion läßt sich G. Bergner patentieren. [210]

  • Der französische Handwerker Rousseau konstruiert ein metallenes Einrad bei dem man im Rad sitzt. über Pedale, die starr mit einem kleineren Rad verbunden sind, wird das 2,3m Durchmesser große Außenrad angetrieben. Mit dem Lenker kann gebremst werden. Es befindet sich heute im Museum Galbiati in Mailand. [210]

  • Die pariser Firma W. Jackson & Co. inseriert mehrfach in der Radsport-Zeitschrift „Le vélozipède illustra“ (1869-1870) ein 1,65m großes Einrad, bei dem man im Inneren sitzt, für 300 Franken. Der Antrieb erfolgt über ein Tretgestänge und ein inneres Rad. [210][211]
    Ein Model steht heute im Museum für Kunst und Industrie in St. Ètienne in Frankreich. [465]

  • Bis ca. zur Jahrhundertwende folgen weltweit zahlreiche weitere ähnliche Patente. [210]


Monowheels aus dem Jahr 1869

Greene und Dyer [B020] Hemmings [B021] Rousseau [B022] Jackson [B023]


  • In mehreren Veröffentlichungen zur Fahrrad- und Einradgeschichte wird Scuri 1880 und 1881 als Erfinder des Einrades genannt, wie wir es heute kennen. Da er selbst Einrad fuhr und durch seine Auftritte sehr populär wurde, ist das auch nicht verwunderlich. Aber es spricht einiges dafür, dass das Einrad schon früher bekannt war. Z.B. durch das Patent von Thomas W. Ward in New York, in dem er nicht das Einrad an sich zum Patent anmeldet, sondern für bereits existierende Einräder die Balance des Fahrens erleichtern möchte, wenn man Gewichte an der Verlängerung der Einradgabel befestigt. Ob das Einrad über Kurbel und Pedale angetrieben wird, läßt er in seiner Patentbeschreibung offen. Das Einrad auf seiner eingereichten Zeichnung stellt die Nennung Scuris als Erfinder des Einrades deutlich in Frage. [570][B401]
    In seiner Patentbeschreibung geht Scuri aber auf die Konstruktion mit den Gewichten an der Gabel ein und distanziert sich von dieser Bauform. [571]
    1887 berichtet „Der Radfahrer“ dazu: „Er [Scuri] hat sich mit der Theorie des Einrades vollständig vertraut gemacht und scheint der Überzeugung zu sein, dass es ihm oder einem anderen gelingen wird, innerhalb weniger Jahre den Schwerpunkt so niedrig zu verlegen, dass es jedem möglich sein wird, ohne das Anbringen von Gewichten, ein Einrad zum praktischen Zwecke zu gebrauchen.“ [590, S.82] →1880, →1881

  • Frederick Myers erhält in New York das Patent für sein Einrad. Die Kraft wird nicht über Kurbeln auf das Rad übertragen, sondern über Fußplatten, die sich in einer Schiene geführt, senkrecht hoch und runter bewegen. Um leichter die Balance zu halten, befindet sich der Mechanismus weitgehend unterhalb der Radachse. Mehrere kleinere Räder innerhalb des eigentlichen Rades sollen ebenfalls die Balance erleichtern, indem sie unregelmässige Bewegungen des Fahrers „wegnehmen“. Die Sattelaufhängung ist gefedert. [577][B410]

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  • Bei einer Parade des Wanderzirkus James Robinson & Co in Middletown (Missouri) spielt die Zirkuskapelle auf dem Dach des Löwenkäfigs. Das Dach hält der Belastung nicht stand. Die Löwen zerfetzen 3 Musikanten sofort, 4 sterben später an ihren schweren Verletzungen, 3 überleben. [Spiel: Anno Domini]

  • Von Großbritannien aus verbreitet sich „Lawn Tennis“, der direkte Vorläufer des Tennis. Die Bälle bestehen aus massivem Naturkautschuk. [164]

  • Ärzte diskutieren, dass die Fruchtbarkeit von Frauen leidet, wenn sie Fahrrad fahren.
    Auch von Hirnerweichungen ist die Rede.

  • James Moore (Gewinner von Paris-Rouen 1869) nimmt im August an den Midland Counties Championships in Wolverhampton mit einem Meyer-Fahrrad (Vorderrad 120cm, Hinterrad halb so groß, ein Vorläufer des Hochrads[533]) teil und bringt das Konzept der radial befestigten Drahtspeichen nach England. [532]
    Mit den bisher verwendeten Druckspeichen lassen sich leichte Räder nicht einfach vergrößern. Bruch drohte. [552, S.36]

  • Ein normales Tretkurbelrad kostet ca. 600 Reichsmark. [595, S.22]

  • Der Deutsch-Französische Krieg zerstört Heinrich Büssings weltweit geschäftlichen Verbindungen. Er muß seine „Erste Deutsche Vélocipède-Fabrik“ bereits nach knapp zwei Jahren wieder schließen. [552, S.34][563]

  • Nach Erscheinen der ersten Hochräder haben Michaulinen nur noch die Funktion eines Lerngerätes und verschwinden bald vom Markt. [40]
    Die großen Räder nehmen die Unebenheiten der schlechten Strassen besser. Der große Trumpf ist aber die höhere Geschwindigkeit. Je größer das Vorderrad, desto höhere Geschwindigkeiten können erreicht werden. Dabei wandert der Sattel weiter nach vorne und damit auch der Schwerpunkt. Nun reicht schon ein kleines Hindernis, um das Hinterrad anzuheben. Aber auch das Bergabfahren bedarf großer Übung, denn eine Bremse auf das kleine Hinterrad hat kaum eine Wirkung, ein Abbremsen des Vorderrades, sei es durch eine Bremse oder das Gegenhalten der Pedale durch Beinkraft, lässt das Hinterrad abheben und es kommt zum Sturz. Aus der Höhe sind schwere Verletzungen keine Seltenheit. In Zeitungen wird nicht nur von Bestzeiten berichtet, sondern auch von schweren Kopfverletzungen und Genickbrüchen.
    Als das Niederrad, mit Gummibereifung und Kraftübertragung mittels Kette, auf den Markt kommt, wird es gerne angenommen. Es wird Sicherheitsfahrrad genannt und löst das Hochrad schnell ab.

  • Im englischen Sprachraum wird das Hochrad „Ordinary“ genannt. [58]

  • Der Ingenieur James Starley und sein Kollege William Hillman aus Coventry patentieren in England das epochale Hochrad Ordinary, das erste Ganzmetallfahrrad. Es geht im Folgejahr in ihrer Firma Ariel in Massenproduktion. Es wird zu einem Verkaufsschlager und oft nur kurz Ariel genannt. [58]

  • Der anglikanische Geistliche Reverend M. B. Bailey setzt in Tokio einem Handwagen einen Stuhl auf und verwendet es als öffentliches Verkehrsmittel für Europäer, die die engen Sänften nicht benutzen können: Die Rikscha. [208] Einige Jahre zuvor hat der Beamte Bin Chun in Paris das Veloziped gesehen und in China bekannt gemacht. Allerdings verhindert die Rikscha, dass sich das Fahrrad durchsetzen kann. Eher die Ausländer nutzen das Fahrrad in China, Einheimische betrachten es nicht als salonfähig, schwitzend gesehen zu werden. [209]

  • Die 14“ großen „pedespeed“ ähneln heutigen Einrädern, werden aber immer nur paarweise verwendet.
    Man beachte das Detail des Rockschutzes der Damenversion. [557, S.9][B126, S.9]

  • John Hobby baut ein übergroßes Einrad. Um an die Pedale zu kommen, nutzt er ein Gestänge. [100, S. 14, 16, 17][B025]
    Ob hier noch ein Mechanismus versteckt ist wird hinterfragt, denn die Kurbeln befinden sich in der Zeichnung nicht 180° zueinander.

  • Das Jackson-Einrad (→1869) legt bei einem Rennen in Le Vésinet in Frankreich zwei Kilometer in sieben Minuten zurück und erhält vom Véloce-Club eine Gedenkgoldmedaille. [465]

  • Die London Times schreibt zur Erfindung des Einrades:
    „Des Menschen Skelett ist zu Höherem berufen, als sich über ein Rad zu beugen.“